Kennt ihr sie auch, diese Frauen, hauptberuflich Ehefrau, die mit einem Kind, Tennisstunde und Bikram-Yoga voll ausgelastet sind? Deren Tagesablauf von Hyaluron-to-go, veganer Diät und Tanning-Studio bestimmt wird? München ist voll von solchen Tussis. Und alle fahren das gleiche Auto. Ich habe eine typische SUV-Tante gefunden und verrate euch, warum der BMW X5 das perfekte Mutterschiff ist.
Sara Stürmer zerrt Paul hinter sich aus dem Haus und reißt die hintere Tür ihres schwarzen BMW X5 auf. Sie hievt den Vierjährigen auf den Rücksitz und schmeißt die Tür zu. Flomp! Dann klettert sie auf den schwarzen Fahrersitz und startet den Reihensechser-Diesel. Mit 60 Sachen jagt sie durch eine 30er-Zone in Obermenzing, biegt in eine Spielstraße ab, ohne zu blinken, und bleibt in zweiter Reihe vor dem Kindergarten stehen – gleich hinter den anderen Müttern. Paul purzelt aus dem SUV und schleicht durch die ruhende Blechlawine zum Kindergarten. Überfahren werden kann er nicht. Während die Mutterschiffe entladen werden, ist das Sträßchen für andere Verkehrsteilnehmer gesperrt.
Stürmer ist 39 Jahre alt und seit neun Jahren verheiratet. „Nach dem Abitur habe ich BWL studiert, weil man dort die besten Männer kennenlernt“, verrät sie. „Und Mark war kein schlechter Fang“. Mark Stürmer ist Marketing Manager bei einem großen Lebensmittelhersteller und verdient genug, damit sie nicht arbeiten muss und monatlich eine dreistellige Summe in ihr Äußeres investieren kann. Ihr Haar ist in verschiedenen Blondtönen gefärbt und mit Keratin geglättet, damit es weicher über die Schultern fällt. Ihre leichte Sommerbräune lässt sie sich regelmäßig in einem Tanning-Studio auftragen. Dazu stellt sie sich splitternackt in eine Kabine und wird von einem Fachmann mit einer Airbrush-Pistole lackiert. Glatte Haut spannt um die kastanienbraunen, leicht schräg stehenden Augen und gibt keinen Millimeter nach.
Der stressige Alltag einer Ehefrau
„In 15 Minuten habe ich Tennisstunde bei Rolf. Rolf zeigt mir heute die Rückhand“, zwitschert sie, während sie ihren Zweitonner aus dem Heer der Mutterschiffe zirkelt. Nach der Tennisstunde gönnt sich Stürmer eine Sitzung bei ihrem Chirurgen, der Fältchen mit Streptokokkoken-Kulturen unterspritzt. Hyaluron-to-go in Munich City. „Das lasse ich mir alle vier bis sechs Monate spritzen“, erklärt Stürmer und versucht, die Mundwinkel nach oben zu ziehen. Frisch gespritzt stöckelt sie aus der Praxis. Sie ist hungrig und entscheidet sich für ein leichtes Mittagessen, das man in kleinen Happen in den Mund schieben kann. Vegan natürlich. Aber kein blähendes Gemüse, sonst kneift die Jeans.
Nach einem leichten Lunch erklimmt Stürmer erneut ihren BMW X5. Den SUV hat sie sich von ihrem Mann gewünscht, weil sie gerne oben sitzt und sich nicht bücken will, während sie das Kind im Kindersitz festzurrt. „Bücken verstärkt das Doppelkinn und lässt den Bauchspeck über den Hosenbund quellen“, rechtfertigt sie sich. Sie heizt zum Kindergarten. Paul muss in die Orff´sche Früherziehung für überdurchschnittlich begabte Kindergartenkinder. Der Knirps sinkt bleich in seinen Sitz und starrt verträumt aus dem Fenster. Stürmer wirft ihren Sohn vor der Musikschule ab und nagelt zu ihrer Yogaschule. Dort lässt sie sich massieren und heißes, ayurvedisches Öl über die Stirn gießen, damit sie den Stress des Tages besser abbauen kann.
Unterdessen holt Oma Stürmer ihren erschöpften Enkel aus der Früherziehung ab. Auf dem Heimweg hält sie bei McDonald´s und kauft einen großen Burger, den Paul verschlingt. Zu Hause legt sie Wäsche zusammen und räumt die Küche auf. Dann fliegt die Haustür auf. Sara Stürmer klackert durch die Diele. Sie drapiert ihren optimierten Körper auf dem Sofa und wartet, bis Oma das Abendessen fertig hat. Ehemann Mark wird heute wieder erst gegen 21.00 Uhr nach Hause kommen. Er habe viel Arbeit im Moment, sagt er. Paul spielt mit Oma Playmobil und lacht. Zum ersten Mal an diesem Tag.
Der BMW X5 ist unser fünfter Text in der mehrteiligen Reihe „Wer fährt eigentlich…?“
Welche Menschen fahren welches Auto? Und warum? Weil die Wahl des eigenen Autos von Beruf, Lebensabschnitt und dem eigenen Selbstbild abhängt. Wir alle passen in dieses Muster. Ich habe den Alltag auf deutschen Straßen beobachtet und porträtiere Menschen in und mit ihrem Fahrzeug – mal zugespitzt, mal melancholisch, aber immer mit einem Augenzwinkern.
Lest auch Teil 6 und Teil 4: Wer fährt eigentlich VW Phaeton oder Ford Transit?
Was unser Auto über unsere Psyche aussagt: Das Auto als Spiegel der Persönlichkeit
Illustration: © Cliv
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