Die Deutschen haben ein gestörtes Verhältnis zur Autobahn. In den letzten Wochen habe ich viele Stunden und hunderte Kilometer auf den deutschen Highways verbracht. Ich stand im Stau. Ärgerte mich über deutsche und ausländische LKW. Und deren Fahrer. Und ich habe erkannt, dass jeder, der ein Auto einer deutschen Premiummarke besitzt, über genau die 8,37 Quadratmeter Autobahn herrscht, die gerade unter den heiligen vier Rädern durchrauschen. Opa schleicht mit 70 km/h mal rechts, mal links. Papi schaukelt die Familie mit 100 stur über die Mittelspur, zehn Meter hinter dem Vordermann. Und Mutti überholt links mit dem schicken Cabrio. Dabei ist sie einen halben Kilometer pro Stunde schneller.

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Deutsche Autofahrer pochen grundsätzlich auf ihr Recht. Jeder muss der Schnellste sein. Immer, überall, egal wie dicht der Verkehr ist. Sicherheitsabstand bedeutet „Sicher, da ist noch Abstand, mein Parkassistent piept noch nicht“. Bei Regen dann mutiert die Autobahn zum Schlachtfeld. Trümmer fliegen über die Autobahn, auf der linken Spur türmt sich ein Schrottberg. Das Bild von zwei Notärzten und einem halben Dutzend Rettungssanitätern, die sich um das Leben der Insassen von drei Haufen Premiumschrott kämpfen, ist schnell vergessen. „Mir passiert das nicht, ich kann ja fahren!“ Die Sicht gering, die Fahrbahn nass. Dichter Verkehr verwirbelt die Gischt meterhoch. Durchtreten, draufhalten. Da geht noch was. Das Vertrauen in die Technik ist grenzenlos. 180, 190 Kilometer pro Stunde, selbst bei diesen Wetterbedingungen eher das Minimum.

Unfälle sind schnell vergessen. Deutsche Autofahrer sind grundsätzlich davon überzeugt, dass sie es "besser können".

Unfälle sind schnell vergessen. Deutsche Autofahrer sind grundsätzlich davon überzeugt, dass sie es „besser können“.

Gibt es Schutzengel auf der Autobahn?

In scheinbar endlosen Baustellen suchen gestresste Lastwagenfahrer einen Parkplatz für die nächste Nacht. Hunderte weißer Transporter schwanken über die zwei Meter breite linke Spur und Teile der rechten. SUV-Fahrer schwimmen in deren Kielwasser. Ich wundere mich manchmal, dass nicht mehr passiert. Es gibt wohl doch so etwas wie Glück. Oder Schutzengel. Versteht mich nicht falsch. Ich liebe Autos. Ich liebe Motoren. Und liebe es, lange Strecken zu fahren. Aber nicht so. Vielleicht habe ja auch ich ein gestörtes Verhältnis zur Autobahn! Mein Rezept der letzten Wochen: nicht aufregen, rechte Spur, gesund ankommen.

Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht?
Wie empfindet ihr den Verkehr auf der Autobahn?

Dennis Sahl
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