Klaus Mittermeier stapft aus der asiatischen Wellnessoase und sieht im Piratenraum nach, ob feuchte Handtücher oder benutzte Kondome liegen gelassen wurden. Mittermeier ist Inhaber des Swingerclubs „Horny“ in einem Münchner Industriegebiet. Sein Club erstreckt sich über drei Etagen, sieht tagsüber aus wie ein harmloses Firmengebäude und strahlt nachts in verschiedenen Rot- und Blautönen. Ein bisschen wie die Allianz Arena. Mittermeier ist 48 Jahre alt und betreibt den Swingerclub seit neun Jahren. Er hat muskulöse Oberarme, trägt einen aufwendig rasierten Bart in seinem fleischigen Gesicht und sieht aus wie sein eigener Türsteher.

Während des Kontrollgangs durch die dritte Etage klingelt sein Handy. Seine Frau Alena braucht Hilfe. Sie kann ihren Porsche Boxster nicht einparken. Der Rückwärtsgang lässt sich nicht mehr einlegen. Mittermeier poltert hinunter ins Erdgeschoss, schließt die Eingangstür sorgfältig ab und hievt sich in den SUV, der vor dem Haus parkt. Der 4.5 Liter V8 grollt aus den beiden Endrohren des silbermatten Porsche Cayenne. Zwei schwarze Längsstreifen, pulverbeschichtete 21-Zöller und ein Harley-Davidson-Aufkleber zeugen von so viel Selbstbewusstsein wie die Arenabeleuchtung des Clubs. Mit tiefem Blubbern setzt sich der Cayenne in Bewegung.

Im Porsche Cayenne stets die Hand auf 12 Uhr

Mazedonische Fähnchenhändler, Billigtankstellen und heruntergekommene Bordelle säumen seinen Weg aus der Stadt. Er erzählt von seinen Hobbys. „Ich sammle Mercedes Cabrios aus den 60er-Jahren, handle nebenbei ein wenig mit Harleys und organisiere Shootings, bei denen halbnackte Tussen über glänzende Ledersitze robben.“ Beim Einatmen saugt er die Luft hörbar zwischen den Zähnen ein und leckt sich anschließend über die Lippen.

Ähnlich wie Mittermeiers Beruf befindet sich auch seine Sitzposition in der Horizontalen. Er flegelt im Fahrersitz, leicht nach rechts gebeugt, die linke Hand auf 12 Uhr. Die rechte Hand ist mit dicken Silberringen bestückt und ruht schwer auf der breiten Mittelarmlehne. Das schwarze Baumwollhemd ist bis zum Bauchnabel geöffnet. Sein runder, fester Bauch wölbt sich über dem tiefsitzenden Bund einer engen, schwarzen Jeans. Rötlichbraune Haut schimmert unter der dichten Körperbehaarung und wirkt wie durchgewetztes Leder. Gestern wurde das neue Solarium geliefert, das er gleich ausgiebig getestet hat. „Meine Frau muss darin eingeschlafen sein, sonst wüsste sie heute noch, wo gestern der Rückwärtsgang war.“ Rauchiges Lachen.

Der Bulle im rollenden Darkroom

Mittermeier verlässt die Bundesstraße und biegt in eine Wohnstraße ein, in der sich gutbürgerliche Einfamilienhäuser aneinanderreihen. Vor einem gelben Haus mit sorgfältig geschnittenem Rasen und Doppelgarage wartet eine zierliche Frau mit dauergewelltem, blondem Haar und faltigem, dunkelrotem Gesicht. Neben ihr steht das Boxster Cabrio auf der Straße. „Ich krieg´ den Gang nicht rein“, jammert Alena durch die halbgeöffnete Fahrerscheibe.

Ihr Ehemann sackt aus seinem SUV und presst seinen massigen Körper in das kleine Cabrio. Er ruckelt kurz am Schalthebel und erahnt, dass sich das Schaltgestänge verstellt haben muss. Er schält sich aus dem Boxster, baut sich vor dessen Front auf, krempelt die Ärmel hoch und schiebt den kleinen Porsche einhändig die Auffahrt hinauf. Dann drückt er seiner Frau einen Kuss auf die linke Wange und steigt schnaufend zurück in seinen Cayenne. Mittermeier wischt sich Schweiß von der Stirn und öffnet das Schiebedach. Sonnenstrahlen blitzen durch den Schlitz im anthrazitfarbenen Dachhimmel, brechen sich an den schwarz getönten Scheiben und erhellen den rollenden Darkroom. Mittermeier wirft seinen Kopf in den Nacken, in dem vier feuchte Wülste wachsen und, startet den Motor. Grollend kommt der Bulle in Fahrt.


Der Porsche Cayenne ist unser dritter Text in der mehrteiligen Reihe „Wer fährt eigentlich…?“

Welche Menschen fahren welches Auto? Und warum? Weil die Wahl des eigenen Autos von Beruf, Lebensabschnitt und dem eigenen Selbstbild abhängt. Wir alle passen in dieses Muster. Ich habe den Alltag auf deutschen Straßen beobachtet und porträtiere Menschen in und mit ihrem Fahrzeug – mal zugespitzt, mal melancholisch, aber immer mit einem Augenzwinkern.

Hier geht´s zu Teil 2 und Teil 4: Wer fährt eigentlich MINI Cooper und Ford Transit?

Was unser Auto über unsere Psyche verrät: Das Auto als Spiegel der Persönlichkeit.


 

Illustration: © Cliv

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