Leserbeitrag von Jutta Steinbrück-Weiß

Mein erstes Auto war ein Passat, Baujahr 1982, in der luxuriösen GL-Variante mit strammen 85 PS (der CL hatte nur 75) und 185er(!) Breitreifen, den mir meine Eltern überließen, nachdem sie sich ein neueres Modell dieses Volkswagens gekauft hatten. Damit von Beginn meiner Führerscheinlaufbahn an gewohnt, dass ein Auto nicht nur fünf Personen (im Bedarfsfall auch mal mehr) und/oder ordentlich Gepäck, Möbel, Getränkekisten für die Jahrgangsstufenparty und alles andere transportiert, ohne mit röchelndem Motor und ins Rote steigender Wassertemperatur auf der Standspur der Kasseler Berge liegen zu bleiben, kamen bei den nachfolgenden Autokaufentscheidungen nur noch Fahrzeuge mit der Mindestgröße eines Passats in Betracht. Dass der Nächste ein Audi (genauer ein Audi 100 Typ 44 2,3 E) wurde, war dann eher ein Zufall. Aber damit hatte sich der Audi-Virus bereits sein Opfer gesucht. Anfänglich unbemerkt breitete er sich aus, schließlich war dieser Audi erstmal nur das Fortbewegungsmittel für die Wege von A nach B. Doch bald lernte ich seinen rauhen 5-Zylinder-Sound, seine Zuverlässigkeit und die solide Verarbeitungsqualität schätzen. Gut – etwas nervig waren die immer wieder mal festgehenden hinteren Bremssättel, wenn man sich erdreistet hatte, die Handbremse einmal zuviel (oder zuwenig?) zu benutzen, und die mit zunehmendem Alter zunehmend dunkler werdende Instrumentenbeleuchtung, die immer ein vollständiges Austauschen aller Glühbirnchen in der kompletten Instrumententafel nach sich zog (mit dem entsprechenden Gefummel), wenn man verhindern wollte, dass nach wenigen Tagen ein anderes Instrument unbeleuchtet blieb. Aber das sind alles Kleinigkeiten in einem langen Autoleben, das ich bis zu einer Kilometerleistung von rund 340.000 begleitete, um den treuen Audi dann zur weiteren Nutzung in andere Hände zu geben, die mit ihm zusammen die 400.000 km-Marke knackten. Dass der Nachfolger dieses 44ers nur wieder ein Audi werden konnte, war so selbstverständlich, dass lediglich die Ausstattungsvarianten des Nachfolgemodells C4 familienintern diskutiert wurden.

Schließlich fiel die Wahl auf einen 94er Audi 100 Avant 2,5 TDI in mitternachtsblau aus dem Vorbesitz eines Lederwarenhändlers, der seiner beruflichen Passion gemäß das Interieur vollständig mit gegerbter Tierhaut ausstatten ließ – sehr edel und sehr langlebig, die ledernen Recaros sind jetzt schon in den dritten C4 umgezogen. Mit diesem chipgetunten 5-Zylinder-Diesel begann die große Liebe zu dieser Baureihe. Ob gepardenhafte Schnelligkeit (Würzburg-Frankfurt in unter einer Stunde), raumfordernde Transportmöglichkeiten (ein Schlafzimmerkleiderschrank in den Kombi? – kein Problem) oder geduldige Lasteselmentalität im Anhängerbetrieb gefragt waren, der Audi erledigte alle Aufgaben mit Gelassenheit und kühlem (Zylinder-)Kopf. Dazu das zeitlos elegante Design, der durchdringende Blick seiner Halogen-Leuchten und die Qualität der verarbeiteten Materialien (von den Türleisten mal abgesehen!) machten diesen Wagen bei jedem Einsteigen zum Wohlfühlfaktor. Über 300.000 km hat der treue Audi abgespult, bevor uns unsere Wege trennten. Als Scheidungskind rollte er mit beginnenden Aussetzern der Klimatronic und ohne Chance auf eine Umweltplakette vermutlich gen Osten vom Hof.

Doch ich konnte nicht ohne – aus der trennungsbedingten Notwendigkeit, einen fahrbaren Untersatz kaufen zu müssen, resultierte nach diversen denkwürdigen Probefahrten mit natürlich „unfallfreien“ Sternenkreuzern und „sehr gepflegten“ 5er Tourings aus dem Portfolio der regionalen Fähnchenhändler ein 92er Audi 100 Avant 2,6 E eines Privatverkäufers, der den Wagen abgemeldet und ohne TÜV eigentlich nur noch ins Ausland verkaufen wollte. Doch reinsetzen und wohlfühlen. Alles war gewohnt, die Bedienelemente am rechten Fleck, die Fahrdynamik erfreulich und der Umgang mit dem gesamten Fahrzeug routiniert, inklusive dem Griff zur Schlüsselanhänger-Taschenlampe, um die Außentemperaturanzeige ablesen zu können. Schlußendlich – ich habe den Wagen gekauft, abgemeldet und ohne TÜV, mit defekten Kats und Bremsen (genau so, wie man es nicht machen soll – aber die Story, wie dieser Wagen innerhalb einer Woche tüv- und zulassungsfähig wurde, ist so abenteuerlich, dass ich sie vielleicht ein anderes Mal erzähle). Glatteis beendete unsere Beziehung. Die Hinterachse des Audi glich nach dem Einschlag in der Böschung einer Pappardelle (habe ich nachgeschlagen: breite Bandnudel mit welligem Rand, eine Spezialität aus der Toskana), und die Achsaufhängung hatte es um 90 Grad verdreht. Der nahezu baugleiche Nachfolger (gleiches Sondermodell nur 93er Baujahr) trägt noch heute die besseren Teile des verunfallten C4. Doch dann geriet ich auf Abwege. Eine Lotus Elise schwebte mir als sportliches Spielzeug vor, durch ihre Straßenzulassung gerade noch geeignet, um mich im Alltag über die herrlich kurvenreichen Sträßchen meiner Heimat auf die Arbeit zu bringen, aber mit ausreichend Beschleunigungsfreudigkeit, um Rennsportfeeling aufkommen zu lassen… Die Elise war quasi schon bestellt, als ein Zusammenprall mit einem VW-Bus im Zusammenhang mit einem Überholmanöver mir deutlich vor Augen führte, dass so ein Go-Kart mit Joghurtbecherverkleidung vielleicht doch nicht das richtige Gefährt für die Bewältigung meines alltäglichen Arbeitsweges ist. Der VW-Bus-Fahrer, der im Feierabendtran mich mit meinem Audi schon nicht gesehen hatte und ohne Vorwarnung rausgezogen war, hätte mich und die Elise geradewegs unter der Leitplanke durchgedrückt.

Zwei grübelintensive Tage nach dem Unfall, der dank der Stabilität eines C4 nur mit (wenn auch kapitalem) Blechschaden abgegangen war, hatte ich ihn. Tornadorot leuchtend, mit einem großen, kräftig schlagenden Herzen, ordentlich Antritt und piekfeinem Lederinterieur – meinen Audi S4 Avant 4,2 V8! Für ihn bin ich mit meinem Mann einen Tag lang quer durch Baden-Württemberg gekreuzt und habe mir einige seiner Brüder in ziemlich abgerocktem Zustand angeschaut, bis er mir vor die Füße fuhr. Seit zwei Jahren beglückt mich nun sein Anblick und das Fahrgefühl, der zarte Ledergeruch beim Einsteigen und das Drehmoment, das ihn auf der Autobahnauffahrt losstürmen läßt. Der Audi S4 ist ein ganzer Kerl – breitschultrig und ein bißchen rauhbeinig, selbstbewußt im Auftreten und manchmal etwas laut, er mag Kurven und spielt im Winter gerne im Schnee. Frei von jeden Spritspar-Allüren und ohne eintragungsfähige Euro 2-Umrüstung verlangt er zwar nicht nur nach permanenter Aufmerksamkeit und immaterieller Zuwendung, doch das sind kleine Opfer, die jede große Liebe fordert. Mit ihm habe ich immer den richtigen Begleiter, ob zum Shoppen oder an der Rennstrecke. Bei jedem Anlassen zaubert er mir ein Lächeln ins Gesicht.

Deswegen S4.

Jutta Steinbrück-Weiß