Die USA setzten nach dem Zweiten Weltkrieg beim Automobil in Sachen Komfort Maßstäbe. Carl F. W. Borgward beobachtete die dortigen Entwicklungen genau und war vor allem von einer Sache überzeugt: dem Automatikgetriebe. Als der Bremer 1956 erstmals eine Citroen DS, die Göttin, mit halbautomatischem Getriebe fuhr, verkündete er: „In spätestens 20 Jahren werden in Deutschland zwei Drittel der Personenwagen mit automatischen Getrieben ausgerüstet sein.“

Bereits 1949 stellten die Bremer die Weichen für die Entwicklung eines Automatikgetriebes. Dieses erste, sogenannte X-Getriebe kam nur in Prototypen zum Einsatz. Weil es die Motorvibrationen ungedämpft auf das Fahrzeug übertrug, befand es Borgward für untauglich und gab in seinem Haus die Entwicklung eines zweiten Automaten frei. Dieses Y-Getriebe war mit einem mechanischen Schwingungsdämpfer ausgestattet. Wie üblich bei seinen wegweisenden Innovationen, gab Carl F. W. Borgward Gas. Schon 1950 bauten die Bremer für einen großen Flottenversuch mehrere hundert Y-Getriebe in den Hansa 1500 ein und lieferten diese Fahrzeuge an Händler, Werkspersonal und ausgesuchte Kunden. Ziel: Die stetige Verbesserung des Automaten mit drei Vorwärts- und einem Rückwärtsgang durch Erfahrungen aus dem Alltagsbetrieb. Viele Probleme konnten die Bremer beseitigen, eines blieb: Die Lamellen in der Kupplung zum „direkten“ Gang erwiesen sich als sehr verschleißfreudig.

Im Oktober 1952 erhielt die bekannte Schauspielerin Olga Tschechowa im Stammwerk Sebaldsbrück den ersten Hansa 2400 S. Damit begann die Auslieferung der Automatik in der Oberklasse-Limousine. Es handelte sich um das Y-Getriebe, das in den Prospekten als „das vollautomatische Borgward-Strömungsgetriebe Modell 52“ seine Premiere gab. Damit war Carl F. W. Borgward der erste deutsche Automobilfabrikant, der vollautomatische PKW-Getriebe eigener Machart in Serie baute. Borgward entwickelte stetig weiter und überwachte die Fortschritte seines Entwicklungsteams persönlich. In der eigenen Versuchsabteilung entstand das Z-Getriebe, das ohne kraftschluckenden Wandler auskommen sollte, was den Wirkungsgrad der Automatik erhöht hätte.

Die Geburtsstunde des Hansamatic von Borgward

Einerseits war Borgward mit der Güte seiner eigenen Automatikgetriebe noch nicht ganz zufrieden, andererseits blieben die Stückzahlen im Verkauf bescheiden, was die teure Eigenentwicklung wenig Erfolg versprechend erscheinen ließ. Auch deshalb hatte Carl F. W. Borgward während der Phase der Eigenentwicklungen immer ein Auge auf Neuigkeiten bei den Zulieferern geworfen. 1958 war er auf das Mechamatik-Getriebe von Howard Frederick Hobbs gestoßen. Das hatte gar keinen Wandler, sondern eine funktionserprobte, hydromatische Lamellenkupplung und einen automatischen Viergang-Planetenradsatz. Und: Es war serienreif, hatte sich in einigen britischen Fahrzeuge bestens bewährt.

Im Jahr 1958 schloss Borgward mit der Firma Hobby Transmission Limited einen Zulieferervertrag und bestellte 1959 die ersten 200 Getriebeautomaten, die für den Einsatz in Borgward-Automobilen allerdings noch verfeinert wurden. Als „Hansamatic“ standen sie in den Preislisten für den P 100 und die Isabella. Damit endete die eigene Getriebe-Entwicklung der Bremer.

Wird Borgward als Manager nicht selten eine gewisse Dickschädeligkeit angedichtet, so bewies er im Falle der Getriebeautomatik großes unternehmerisches Geschick und Flexibilität. Zunächst trieb er mangels passender Zulieferprodukte die Entwicklung selber voran, weil er von ihrem Kundennutzen überzeugt war. Doch schnell führte die rationale Kosten-Nutzen-Analyse zu der Einsicht, dass eine Eigenkonstruktion sich schwerlich rechnen würde. Also sah sich Borgward bei Zulieferern um, gewann einen der besten für sein Projekt und verfeinerte dessen Produkt noch umfangreich für den Einsatz in seinen Automobilen. Cleverer geht es kaum.

 

Bild: Borgward Group

 

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