Mein Audi V8 ist ein alter Mann. Ihn plagen Herz-Kreislaufbeschwerden, er keucht, wenn es mal schneller gehen muss, und er kann seine Körperflüssigkeiten nicht mehr bei sich behalten. Öl drückt durch poröse Ventildeckeldichtungen und suppt aus dem gerissenen Kurbelgehäuseentlüftungsschlauch. Falschluft strömt in den Motor, der Leerlauf schwankt. Damit der alte Mann nicht auf jedem Parkplatz seine Duftmarke setzt, braucht er dringend neue Dichtungen.
Doch wie man einen betagten Mann nicht zu einem Scharlatan schickt, so vertraut man seine alte Limousine nicht irgendeinem Schrauber an. Deswegen fahre ich zu Jens P., Feinmechaniker und Audi-Versteher, mit viel Geduld und Feinmotorik. Der Eingriff erfolgt ambulant. Mein Audi V8 erhält eine Rauschnarkose. Doktor P. operiert die Verteilerkappen heraus. Sie geben den Herzrhythmus an, sind der Schrittmacher für das gewaltige Alu-Herz, das im Bug des alten Boliden schlägt. Die originalen Verteilerfinger sind fest verklebt und müssen mit einer Zange und ohne Feingefühl entnommen werden. Splitter spritzen durch den Motorraum und klimpern auf den Betonboden. Einer der Vorteile, keinen Unterfahrschutz zu haben, ist: Alles, was einem oben entwischt, purzelt (früher oder später) unten wieder raus. Doktor P. steckt die neuen Verteilerfinger auf und installiert die neuen Kappen.
Trotz des hohen Alters ein gesundes Herz
Anschließend löst Doktor P. die Schrauben der Ventildeckel. Die hintere sitzt fest. Zu fest. Sie knackt. Und bricht. Behutsam hebt er den Ventildeckel ab. Dann wühlt er ein Stofftuch aus seinem geordneten Werkstattchaos, schneidet einen 2 cm langen Schlitz hinein und nestelt es um das Gewinde, in dem sich der Verweigerer festklammert. Das OP-Tuch liegt richtig. Alle empfindlichen Körperöffnungen sind abgedeckt. Der V8 schnarcht gleichmäßig. Mit den Händen eines Gehörknöchelchen-Chirurgen bohrt Doktor P. die Schraube an und dreht sie anschließend heraus. Einen Augenblick halten wir inne. Die beiden oben liegenden Nockenwellen strahlen golden aus dem verschmierten Motorraum. „Für das Kurzstrecken-Stop-and-Go in München sieht der Motor sauber aus“, bemerkt der Doktor. Dann rupfen wir die verschlissenen Dichtungen von den Ventildeckeln und fummeln die neuen drauf.
Wie ein Schildkrötenpanzer im Schlick
Mit einem Schraubenzieher heben wir die Einspritzleisten an und ziehen die Einspritzdüsen heraus. Plopp. Plopp. Auch deren Dichtungen sind altersschwach. Wir erneuern sie durch pralle O-Ringe aus blauem Silikon. Dann klappen wir die beiden Einspritzleisten mitsamt Vor- und Rücklaufleitung zur Seite und nehmen einen tiefen Schluck von der Super-Plus-Wolke, die aus den Leitungen wabert. Wir heben die Ansaugbrücke an. Die eiserne Lunge schwimmt im Schlick wie ein fossiler Schildkrötenpanzer. Die linke Hand von Doktor P. gründelt im Matsch. Der vordere Kurbelgehäuseentlüftungsschlauch ist nicht einfach nur gerissen. Er hat sich atomisiert, aufgelöst in einen Brei aus Öl und Schmutz. Angewidert wischt Jens die Überreste des Entlüftungsschlauches von der Hand und zupft auch den hinteren Schlauch ab. Wir wischen Öl und Schmutz auf und säubern die verschmierten Stellen mit Bremsenreiniger, dessen Sprühnebel mit der Super-Plus-Wolke fusioniert. Mit leichten Kopfschmerzen, aber einem berauschten Grinsen tauschen wir Ansaugbrückendichtungen und beide Entlüftungsschläuche.
Ein altes Auto kann ewig leben – solange Ersatzteile vorhanden sind
Der alte Mann ist wieder dicht. Er kann genäht werden. Die Ventildeckeldichtungen sitzen, die Zündkabel zwängen sich unter der Abdeckung, Luftfilterkasten und Motorabdeckung sind festgezurrt. Ich drehe den Zündschlüssel. Die Kraftstoffpumpe jagt Super Plus durch das System. Die Brennräume werden geflutet. Der V8 grollt. Keine Atemprobleme, keine Leerlaufschwankungen, keine erhöhte Kühlwassertemperatur. Alt ist er nach wie vor. Und selbstverständlich wird das nicht die letzte OP gewesen sein. Aber im Gegensatz zum Menschen kann er ewig leben. Theoretisch. Solange Ersatzteile vorhanden sind.
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