Seit den 1980er-Jahren stehen die drei Wracks auf platten Reifen, verbogenen Stahlfelgen und gebrochenen Federn. Abweisend starren sie über den Schrottplatz. Und warten. „Wenn ich einen von ihnen berühre, fängt mein Herz an zu rasen. Mein Hals ist wie zugeschnürt und ich habe das Gefühl, ich müsste mich übergeben.“ Howard fürchtet die drei Oldtimer. „Vielleicht haben sie noch etwas zu erledigen, bevor sie abtreten.“ Mit brüchiger Stimme beginnt er die Geschichte von Jennifer und ihrem Cabrio zu erzählen.

Jennifer nippt an ihrem Kamillentee, stellt das Glas mit tattriger Hand zurück auf die Untertasse und tupft die Oberlippe mit einem Stofftaschentuch ab. Die Frühlingssonne scheint in das kleine Wohnzimmer ihrer Freundin, die sie einmal im Monat in Queens besucht. Plötzlich hört sie splitterndes Glas, knarzendes Metall und das Gelächter von Jugendlichen. Jennifer erhebt sich von ihrem Sessel und tippelt auf wackligen Beinen zum Fenster. In den 30er-Jahren war sie ein Star in New York, trat am Broadway auf und verdiente mit Revue-Shows viel Geld. Als die Erfolge ausblieben, bekam sie Depressionen und trank zu viel. Sie schluckte Beruhigungstabletten, um zu schlafen, und Aufputschmittel, um morgens aufstehen zu können. Ihr Herz ist schwach von den vielen Medikamenten. Jennifer knotet ihr Haar täglich zu einer aufwendigen Hochsteckfrisur, betont ihre hohen Wangenknochen mit hellem Rouge und kleidet sich in dunklen Kostümen, die ihre zierliche Figur betonen. Die Nachbarn in ihrer Straße tuscheln, stecken die Köpfe zusammen, wenn sie vorübergeht, und lachen hinter vorgehaltener Hand. Sie ist einsam, seit ihr Mann tot ist. Bevor es auch für sie Zeit war, zu gehen, wollte sie sich eine letzte Freude machen. Sie versetzte vor zwei Jahren den geerbten Familienschmuck und kaufte sich davon einen 64er Chrysler 300K Convertible – eines von nur 625 Modellen.

Jahrelang hatte sie von dem eleganten Cabriolet geträumt. Heute steht dieser Wagen auf der Straße, vor dem Haus ihrer Freundin, weinrot mit beigem Verdeck, mit Servolenkung, Bremskraftverstärker und in Chrom eingefassten Rundinstrumenten. Sie blickt aus dem Fenster und sieht, wie Jungen mit Stemmeisen auf ihr dunkelrotes Cabriolet einschlagen, Scheinwerfer zertrümmern, Zierleisten abreißen und mit dreckigen Schuhen gegen den Kühlergrill treten. Jennifer stürmt zur Wohnungstür zu und hastet hinaus auf die Straße. Sie kreischt, packt einen Zwölfjährigen am Oberarm und versucht, ihn vom Auto wegzuziehen. Doch mit ihrer zierlichen Statur und dem schwachen Herzen kommt sie gegen die halbwüchsigen Männer nicht an. Gackernd schubsen sie Jennifer zwischen sich her, bis sie zu Boden geht. Sie bricht schluchzend zusammen vor ihrem 300K Convertible. Einer von 625 Stück, der einmal so glamourös und elegant ausgesehen hat. Sie hebt den linken Arm und fährt ein letztes Mal über den weinroten Lack ihres Cabriolets. Dann hört ihr Herz auf zu schlagen.

Howard drückt seinen Zigarillo auf dem Kies aus, steht auf und packt ein silbernes Zigarettenetui, ein schwarzes Notizbuch und ein halb gegessenes Sandwich in einen alten Lederrucksack. Er rückt seinen schwarzen Filzhut zurecht, schlurft zu dem rostigen Eisentor und schließt es hinter sich. Zusätzlich sichert er es mit einer schwere Eisenkette und einem Vorhängeschloss. Niemand soll eindringen, nichts hinauskommen. Nicht mehr. Vor zwei Wochen ist ein 60-jähriger Mann in Queens von einem Linienbus überfahren worden. Passanten wollen in einer Seitenstraße einen verrosteten Chrysler 300K Convertible gesehen haben. Die Front ohne Kühlergrill wirkte wie ein zufriedenes Grinsen.

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