Du bist viel zu früh von uns gegangen. Du hattest Deine Karriere in der Werkstatt doch gerade erst begonnen. Du hast es innerhalb von wenigen Jahren zu großer Beliebtheit in der V8-Szene gebracht. Du warst erst fünf Jahre alt.
Im Sommer 2008 erblicktest du auf einem Bauernhof in Großgründlach das Licht der Welt. Kein guter Ort, um sein Leben als Katze zu beginnen. Nach dem Mordversuch durch den Bauern wurdest du gerettet und auf einem anderen Hof einquartiert. Wie hättest Du auch ahnen können, dass Du da vom Regen in die Traufe kommst? Also hast du mit sechs Monaten zum zweiten Mal Deine Sachen gepackt und bist umgezogen – diesmal zu Gervin in die Autowerkstatt. Hier hast Du Deine Berufung gefunden. Endlich konntest du mit deinen Pfoten mal so richtig anpacken. Endlich konntest Du auf Hutablagen probeliegen, Kabelbäume inspizieren und Motorblöcke auf Öllecks untersuchen. Gervin hast du schnell von deinen Fähigkeiten überzeugt. Du hattest Deine erste Stelle als Jungmechaniker in einer Meisterwerkstatt – der erste Katzenlehrling der Szene.
Im April 2009 entschied dein Herrchen, seine Werkstatt nach Nürnberg zu verlegen. Das hat dich ganz schön aus der Bahn geworfen. Zwei Tage lang warst du so verwirrt, dass du erst einmal abgehauen bist. Wie solltest du auch wissen, dass dir das Leben nicht noch einmal übel mitspielt? Zehn Tage warst du weg, bis dich Gervin wiederfand. Doch als er dich endlich wieder in seinen Armen hielt, warst du dir sicher, wo du hingehörst. Von da an ging es mit deiner Karriere steil bergauf. Ob Turboladerumbau, Tieferlegung oder Ölwechsel – du warst immer dabei. Kontrollgänge im Lager gehörten genauso zu deinen täglichen Aufgaben wie Büroarbeit und Schreibkram. Du hast auch mal die ein oder andere Runde geschmissen. Kunden hast Du herzlich in Empfang genommen. Bei besonders sympathischen Kunden hast du es dir auch schon mal auf dem Schoß gemütlich gemacht oder ein Nickerchen auf der Schulter gehalten. Gut, du hast die Arbeit nicht gerade erfunden. Aber du warst das Markenzeichen der Werkstatt, du warst Gervins Kollege, sein engster Vertrauter. Andere Mechaniker, die kamen und schneller als erwartet wieder gingen, konnten dir nicht das Wasser reichen. Du hast die geschäftlichen Zusammenhänge erkannt und verstanden, was Dienst am Kunden ist.
Im April 2013 warst du noch einmal zehn Tage weg. Wie sich herausstellen sollte, nicht freiwillig. Katzenfänger hatten dich erwischt, weil sie der Meinung waren, du seist eine Straßenkatze. Sie steckten dich in ein Heim. Ein Heim für obdachlose Tiere. Dabei warst du doch nicht obdachlos – du warst längst ein etablierter Mechanikerkater! Gervin suchte dich verzweifelt, postete unzählige Aufrufe auf Facebook, telefonierte herum und hing Zettel mit der Beschreibung deines Äußeren auf. Schließlich bekam er den alles entscheidenden Hinweis, im Tierheim nachzusehen. Hast du dich dort mit der tödlichen Leukose angesteckt? Hätten sie dich nicht gefangen, wärst du heute vielleicht noch am Leben. In der Tierklinik sagten sie, du solltest nicht mehr so hart arbeiten, sondern ein bisschen das Katerleben genießen. Du hast Infusionen bekommen und musstest unangenehme Ultraschalluntersuchungen über dich ergehen lassen. Sie sagten, du könntest noch ein paar Monate leben. Doch du hast es nicht mal mehr einen Monat geschafft. Eine Woche nach dem Klinikaufenthalt bist du für immer eingeschlafen – auf dem Notbett von Gervin, das er sich in seiner Werkstatt eingerichtet hat.
Chef, in der kurzen Zeit, die du mit uns verbracht hast, hast du dich zu einer Ikone in der V8-Szene gemausert – oder besser ‚gekatert‘. Und jetzt? Rock den Katzenhimmel, zeig den Luschen da oben, wie man mit Schraubenschlüssel und Knarre umgeht. Eine ganze Gemeinde trauert um dich, besonders Gervin. Also tu mir den Gefallen, und hab öfter mal ein Auge auf ihn.
Deine Katze
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