Die Fahrt nach Jesenwang zum 16. Oldtimer-Treffen auf dem dortigen Flugplatz steht unter einem guten Stern, beziehungsweise unter einer strahlenden Sonne und einem tiefblauem Himmel. Der Veranstalter „Pro Luftfahrt e.V. Jesenwang“ legt die Latte mit dem Slogan „Flieger, Autos, Sensationen“ ganz schön hoch – und verspricht nicht zu viel. Unterwegs begegnen wir den ersten Oldtimern, die friedlich blubbernd durch einen Kreisverkehr cruisen. Kurz vor dem Ziel trennen selbstgemalte Pappschilder die Besucher von den Oldtimern. Keck biegen wir auf die Oldtimer-Zufahrt ab und wissen nicht im Geringsten, was uns erwartet. Der Platzwart begrüßt uns freundlich und leitet uns zu den Fahrzeugen, die auf einem leicht abschüssigen Acker parken. Wir holpern vorbei an legendären BMW 6er Coupés, Firebirds, Mantas, Mustangs und Jaguaren und suchen einen geeigneten Stellplatz. Mindestens 600 Young- und Oldtimer glänzen hier um die Wette – alle anzusehen ist kaum möglich.

Das 16. Oldtimer-Treffen in Jesenwang

Langsam schlendern wir den Acker hinauf in Richtung der Start- und Landebahnen. Bei den Hangars soll es sogar Hendl geben, verrät ein naseweiser Knirps. Doch bevor wir diagonal durch den Acker pflügen, drehen wir doch noch eine kleine Runde. In der Reihe von Audi Coupé S und Opel Admiral sind noch ein paar Plätze frei. Zwei Messerschmitt Kabinenroller und eine BMW Isetta surren die Wiese entlang. Die Fahrer der Kabinenroller parken ihre Winzlinge nahezu synchron rückwärts ein, während die Isetta hilflos in der Erde steckt. Ihr Vorderrad gräbt sich immer wieder in den Acker. Hinter mir nähert sich ein dicker US-V8. Die Kombination aus festsitzender Isetta und stur geradeaus fahrendem Ami mit Trommelbremsen lässt mein Herz kurz höher schlagen. Titanic nimmt Kurs auf Ruderboot. Doch die Isetta kann sich in letzter Sekunde in die freie Lücke retten.

Ford Granada

Ford Granada

Oben bei den Hangars befinden sich zwei Stände, die exakt die gleichen Speisen anbieten: fettige Spareribs, schwarz geröstete Hendl und alte Pommes. Die Hendl drehen sich schon etwas länger, weil die Dinger nach zwei Wochen Oktoberfest einfach keiner mehr sehen kann. Nach dem Ausschlussverfahren scheinen die alten Pommes also das kleinste Übel – sofern man sie OHNE die Mayonnaise isst, die in offener Flasche bereits mehrere Stunden in der prallen Sonne vor sich hin modert. Chris und ich genießen unsere trockenen Pommes direkt vor dem Stand und atmen wohlriechende Benzinschwaden, Öldunst und Abgaswolken ein. Eine 86-jährige Oma rollt mit ihrem lindgrünen Opel Ascona an den Fressständen vorbei und lenkt ihren Erstbesitz stolz durch die Menge. Ein mindestens genau so alter Opa, dessen Jeansweste mit Aufnähern verschiedener Treffen und Länder sowie seinem Namen „Eisenarsch“ versehen ist, sinniert über die fetttriefenden Lebensmittel. Kinder wirbeln durch die Menge. Familien packen Klappstühle und Körbe aus und picknicken zwischen den Autos.

Opel Manta

Opel Manta

Die Atmosphäre dieses markenübergreifenden Treffens ist einzigartig. Hier steht der Dodge Charger direkt neben einem Opel Kadett – und die Fahrer sprechen sogar miteinander. Mehr noch: man versteht sich. Hier verbindet die Liebe zum spritvernichtenden Dinosaurier, zu altem Blech, einzigartigen Silhouetten und glänzenden Zierleisten aus Chrom. Hier verbindet die Leidenschaft für Motoren, für die 500.000 km Laufleistung keine Herausforderung, sondern Normalität ist. Hier verbindet das Wissen, dass keiner der heutigen Plastikkübel mit hochgezüchteten Vierzylindern in 30 Jahren an einem ähnlichen Treffen teilnehmen wird. Auf diesem Acker stehen 100 Jahre Automobilgeschichte. Durch die Gemeinschaft weht ein Hauch von Nostalgie, Wehmut und ganz viel Seelenverwandtschaft. Hier findet man wunderbar überflüssige Devotionalien und Automobilia, kann in alten Reparaturleitfäden blättern und Dichtungen in allen Größen kaufen. Hier lässt es sich ungeniert über den Spritverbrauch des eigenen Boliden berichten und gemeinsam darüber lachen. Hier treffen Fahrer und Fans aller Marken und Baujahre zusammen und begegnen sich ohne jeden Nimbus.

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Schöne Coupés können auch entzücken

Vom eisigen Ostwind ausgekühlt, schlendern wir langsam zurück zu unseren beiden Audis. Kurz vor der Abfahrt spricht mich ein junger Mann mit langen Haaren und abgewetzter Lederjacke an und fragt, was der Audi V8 in der Stadt verbrauche. Zwischen 18-20 Liter seien in einer Stadt wie München realistisch, antworte ich. Da lacht er. Sein Sportwagen bräuchte auf der Autobahn gute 30 Liter. Dabei wirkte er im ersten Moment wie ein Öko-Freak, der mir eine Standpauke halten will. Als wir langsam über den Feldweg zur Ausfahrt rollen, durchströmt mich ein Glücksgefühl. Zwei Dinge weiß ich sicher: ich brauche einen alten Ami und ich komme nächstes Jahr wieder. Ganz bestimmt.

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Hier findet Ihr weitere Informationen zu dem Verein Pro Luftfahrt Jesenwang.

Eure Katze

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