Die Geschichte einer Beziehungskiste

Manche Ehe währt nicht so lange wie diese Beziehung. Der 1974er Ford F-100 und Ole, der Mann aus dem hohen Norden, haben schon viel gemeinsam durchgemacht. Das schweißt zusammen. Der Pick-up ist Oles größter Schatz. Doch so eine lange gemeinsame Zeit hinterlässt Spuren. Ölspuren zum Beispiel – auf dem Hof und dem Weg, den der V8 gerade zurückgelegt hat. Mal wieder Zeit für ein paar Reparaturmaßnahmen, dachte sich Ole vor zwei Jahren. Dass am Ende der Pick-up quasi neu erstand, daran war Knut schuld, Oles bester Freund. Doch dies ist nicht nur ein Restaurationsbericht. Dies ist eine Geschichte von Freundschaft und automobiler Leidenschaft. Eine Geschichte vom gemeinsamen Lebensweg von Ole und seinem Ford F-100.

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Die Geschichte beginnt im November 1997. Mit tief in die Stirn gezogener Pudelmütze und dicken Handschuhen sitzt Ole hinter dem Steuer eines Ford F-100 Ranger und stiert in die Dunkelheit der Nacht. Der V8 bollert über die nass glänzende Straße. Regen klatscht gegen die Klarsichtfolien, die als Ersatz für Front- und Seitenscheiben dienen und dem Fahrer alles andere als klare Sicht verschaffen. Doch Ole ist glücklich. Er hat soeben durch Knuts Vermittlung seinen ersten eigenen amerikanischen V8 erworben. Gut, er ist nicht ganz perfekt in seinem mattschwarzen, nur teillackierten Blechkleid. Hat keinen TÜV, keine Zulassung und genau genommen auch keine Papiere, wenn man mal von dem Fitzelchen in Größe einer Briefmarke absieht, das von dem amerikanischen Title übriggeblieben ist.

Aber der 302cui-Motor läuft und trompetet seinen Sound ungedämpft in die Welt, auch wenn er den Sprit wenig standesgemäß aus zwei in der Ladefläche versenkten Trabi-Tanks saugt. Außenspiegel werden im Übrigen völlig überbewertet. Darum stört es auch nicht, wenn sie fehlen. Schließlich kommt an so einer auf regennasser Fahrbahn herumschlingernden Heckschleuder mit der Breite einer Eiche-Rustikal-Schrankwand sowieso keiner vorbei. Doch das sind für Ole alles Nebensächlichkeiten an diesem Abend, an dem er sich einen Traum erfüllt hat.

Zwei Freunde starten ins Schrauberabenteuer

Gemeinsam mit Knut, dem Freund seit Kindheitstagen, bezieht Ole eine Schrauberhalle in einem Dorf im Taunus. Der Pick-up soll von seinen Unzulänglichkeiten befreit werden. Mit viel Elan und wenig Fachwissen starten die beiden in ihr Schrauberabenteuer. Dass Ole dafür immer wieder an den Wochenenden von Hamburg in den Taunus kommen muss, stört zunächst wenig. Dafür kann Knut, der um die Ecke wohnt, regelmäßig unter der Woche den Schraubenschlüssel schwingen. Wenn die zwei Anfänger nicht mehr weiter wissen, fragen sie ihren Freund TJ, einen dunkelhäutigen US-Amerikaner, der in seinem Leben mehr als 50 Fahrzeuge aus seiner Heimat besessen und repariert hat.

Der alte 302cui V8-Motor des Ford F-100 ist zwar verbastelt, aber läuft. Ole befolgt die goldene Schrauberregel "never touch a running engine" und lässt erst einmal die Finger davon.

Bald schon kristallisieren sich beim gemeinsamen Werkeln unterschiedliche Philosophien der beiden Freunde heraus: Auf der einen Seite der ästhetische Ole, dessen Gedanken um die optische Gestaltung des Fahrzeugs kreisen, der eine emotionale Bindung zu seinem Ford F-100 aufbaut. Auf der anderen der handfeste Knut, der die Technik in den Griff kriegen will und in so einem hubraumstarken Gefährt ein Spielzeug für Große sieht. Aber das ergänzt sich bei diesem Projekt hervorragend.

In den Wochen nach der Regenfahrt finden die Heckscheibe und die Seitenscheiben im Ford F-100 ihren bestimmungsgemäßen Platz. Der Versuch, die Frontscheibe einzubauen, scheitert jedoch. Trotz des massiven Einsatzes von Gleitmitteln aller Art (vornehmlich Vaseline) gelingt es den beiden Freunden nicht, Scheibe, Dichtungsgummi und Rahmen in Einklang zu bringen. Und als ob eine lose Scheibe nicht genug wäre, bricht beim Rangieren des Pick-ups in der Halle auch noch der Lenkarm. Jetzt ist TJ gefragt. Dessen Unterstützung verhindert jedoch die rassistische Hallenvermieterin, die keinen Schwarzen auf ihrem Grundstück duldet. Ole hat genug. Die beiden Freunde reparieren die Lenkung zwar noch vor Ort, aber dann will Ole sein Schätzchen nach Hause holen.

Der Ford F-100 zieht nach Hamburg

Mit einem Ford Transit und einem Autotransportanhänger knattert Ole von Hamburg in den Taunus, um den frontscheibenlosen Pickup aufzuladen und sämtliche Ersatzteile im Laderaum des Transit zu verstauen. Das maximal zulässige Gesamtgewicht von Zugfahrzeug und Anhänger schon lange überschritten, ächzt der Transit los. Aber es geht nicht gleich auf die Autobahn Richtung Norden. Zunächst soll eine Autoglaserei im 20 km entfernten Oberursel die fehlende Scheibe endlich an ihren Platz bringen. Also Pick-up im Hof des Autoglasers runter vom Hänger, Scheibe rein, dabei Fluchen der Fachleute („Wer zum Teufel hat die Scheibe mit Vaseline zugekleistert?“) und Pick-up wieder rauf auf den Hänger. Ein unschuldig geparkter BMW kommt bei der ganzen Rangiererei gerade noch mit dem Schrecken davon, irgendwie hat der F-100 einen ungewöhnlich großen Wendekreis…

Ein feuchter Schweinestall auf einem Bauernhof in Pippensen wird das neue Zuhause des amerikanischen V8. Der Hofbesitzer spendiert eine LKW-Plane für den torlosen Unterstand – nicht optimal, aber besser als nichts. Im Großraum Hamburg ist es nicht so einfach, bezahlbaren „Wohnraum“ für automobile Schätzchen zu finden.

Kabelsalat im Cockpit, aber Riffelblech im Fußraum! Um die Elektrik kann man sich ja später kümmern.

Es folgen erste Bastelversuche von Ole im Alleingang. Mit Presspappe und Teppich entstehen Himmel und Türverkleidungen, aus Riffelblech ein neuer Boden. Doch dann braucht Ole professionelle Hilfe, denn ohne TÜV keine Zulassung und ohne Zulassung kein Spaß mit dem V8.

Wie Ole den Ford F-100 auf die Straße kriegt, warum der Wendekreis des Pickup immer wieder zum Problem wird und was ein zweiter Ford Pick-up mit der ganzen Sache zu tun hat, lest Ihr im nächsten Teil unserer Beziehungskiste.

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Jutta Steinbrück-Weiß