6. Tag: Vom Col de Turini über Nizza nach Sospel

Tiefschlaferholt starten wir am Col de Turini zu einem Abstecher auf den L‘Authion, einer Bergspitze (2080 m), von der man einen einmaligen Rundblick über die Seealpen haben soll. Wir folgen dem „Origine Circuit de L’Authion“, einem Einbahnstraßen-Rundweg um die Bergspitze. Hier zeigt sich, dass ein Audi quattro zwar ein Allrad, aber kein Geländewagen ist – der Mittelschalldämpfer unseres S4 wird während dieser Rundfahrt oberflächenoptimiert.

Hoch oben finden wir dann eine Kasernenanlage von 1900, einen amerikanischen Panzer aus dem II. Weltkrieg und eine Geschützstellung, die die Franzosen gegen die Italiener errichtet hatten – und dazu den wirklich wunderbaren Blick über die Seealpen bis zum Mittelmeer!

Oben am L'Authion kann man das Mittelmeer sehen (Ja, der dunkelblaue Streifen über den Wolken).

Die zweite Hälfte des Rundkurses wird von einer Herde freilaufender Kühe inklusive zwei ausgewachsener Bullen bewacht. Ein stoisches Kalb blockiert gemeinsam mit einer liegenden Kuh den schmalen Bergpfad, während sich zwei Halbwüchsige über ein geparktes Auto hermachen. Dirk bewaffnet sich mit unserer Lenkradkralle, als in meinem Rückspiegel zwei gehörnte Gesellen mit gesenkten Köpfen auftauchen. Die Lage droht zu eskalieren. Im Geiste sehe ich schon die spitzen Hörner meinen geliebten Audi attackieren. Plötzlich stapft das braune Kalb zur Seite, eine hellbraune klettert über die liegende Kuh und gibt eine Autobreite Platz. Dieses Schlupfloch nutzen wir prompt und starten durch.

Wieder zurück am Col de Turini, beginnen wir mit dem Abstieg auf der Route der Rallye Monte Carlo nach Nizza. Doch davor müssen wir durchs Fürstentum. Monaco verstopfen Karossen der besonderen Art – Ferrari, Rolls Royce und Aston Martin. Hier steht man auf gehobenem Niveau im Stau. Endlich erreichen wir Nizza, das bei hochsommerlichen 35 Grad überzukochen scheint. Das Gewusel in den Straßen gleicht einem Ameisenhaufen. Wir verstauen den S4 im öffentlichen Parkhaus, glücklich, ihn nach diversen Beinahe-Unfällen heil untergebracht zu haben. Denn in Nizza gelten besondere Verkehrsregeln – nämlich keine.

Im monegassischen Stau hatten wir ausreichend Zeit, einen der Jachthäfen des Stadtstaates zu bestaunen.

Abends beschließen wir, dem heißen und überfüllten Nizza den Rücken zu kehren und uns wieder in die Berge zu flüchten. Wir jagen die Bergstraßen hoch, um vor Einbruch der Dunkelheit noch einen Schlafplatz zu finden. Hotels sind hier oben rar, doch in Sospel bietet das „Hotel des Etrangers“ französischen Charme in einem renovierten Zimmer mit Blick auf den Hinterhausparkplatz unseres S4. Perfekt! Den Abend lassen wir in einem typischen Restaurant in der mittelalterlichen Altstadt ausklingen (selbstverständlich hatte die Küche um 21.30 Uhr bereits geschlossen, so dass es bei einem Guinness und einem Rotwein blieb).

Vom Col de Turini über Nizza und Monaco nach Sospel.

7. Tag: Von Sospel über den Grimselpass nach Luzern

Um 5.08 Uhr reißt uns das Gebrüll eines Motorradauspuffs aus dem Schlaf. Dem frühen Start Richtung Heimat steht damit nur der leere Tank unseres Boliden entgegen. Doch eine überraschenderweise geöffnete Tankstelle in dem verschlafenen Sospel kann Abhilfe schaffen. Mit frischem Super versorgt starten wir Richtung Col de Tende, einem Passübergang nach Italien, dessen Überwindung durch einen Tunnel im Berg erleichtert wird. Am Ende des Tunnels ist nicht nur Italien, sondern auch Regen. Die Außentemperaturanzeige des S4 zeigt zum ersten Mal seit Verlassen Deutschlands eine 1 als erste Ziffer an.

Die Kapelle Notre-Dame de la Menour thront auf einem Felsen oberhalb der Straße von Sospel nch Menton.

Auf der Suche nach Turin – unser dürftiges italienisches Kartenmaterial deckt sich nur gelegentlich mit den kaum vorhandenen Wegweisern – rasten wir am Wegesrand in einer Bar, deren Inhaber außer Italienisch nur Italienisch spricht. Mit unseren wenigen Sprachkenntnissen aus den Speisekarten unserer heimatlichen Pizzerien gelingt es uns jedoch, zwei Latte Macchiato und zwei Panini zu bestellen.

Dirk entdeckt irgendwann auf unserer Alpenländer-Karte den Lago Maggiore – das Traumurlaubsziel der Wirtschaftswunder-Deutschen. Da er auf unserem Weg liegt, lassen wir uns eine Pause an seinem Ufer nicht entgehen. Dort ist auch wieder der Sommer zurückgekehrt. Wir genießen Sonne und Aperol Sprizz direkt am Wasser. Dann stauen wir gemeinsam mit unzähligen anderen Touristenkarossen am Seeufer entlang Richtung Domodossola und Simplonpass.

p

Pausen-Empfehlung: Meina Beach Club, direkt am Seeufer gibt es leckere Drinks zu moderaten Preisen mit herrlichem Blick auf den Lago Maggiore.

Der Tag geht, der Hunger kommt. Auf dem Weg zum Grimselpass übermannt uns die Lust auf eine typische Bergvesper mit Schinkenspeck und würzigem Käse. Ein Gasthaus kurz vor Niederwald bietet Parkplatz vor und Sitzplatz auf der Terrasse. Während wir uns Bündnerfleisch und Alpenkäse schmecken lassen, erzählt uns Ernst, der verwitterte Wirt von seinen Auswanderungsplänen nach Kuba. Dazu will er unter anderem seine automobile Rarität in klingende Münze verwandeln.

Wir bestaunen daraufhin in seiner Garage ein 1958er Lancia Cabriolet aus erster Hand mit seltenem V4-Motor. Da wir jedoch bereits 54 Euro (!) für die Abendvesper berappen mussten, können wir uns diesen Oldtimer nicht mehr leisten. So nehmen wir nun den Grimselpass unter die Räder unseres S4. Mit dem letzten Licht des Tages erreichen wir die Passhöhe und das berühmte Grimsel-Hospiz und sind beeindruckt von den kaskadenförmig übereinander aufgestauten Seen.

Ein eiliger Tieferlauterbreiter-Golf aus Luzern, der hinter uns die Kurven hinaufwedelte, nutzt jetzt die Chance unseres Touristen-Tempos und zischt an uns vorbei die Passabfahrt hinunter. Als seine Rücklichter weiter unten in den Serpentinen verschwinden, sind wir wieder allein mit den riesigen schroffen Felswänden, die sich im Mondlicht und in den Scheinwerferkegeln des S4 unwirtlich und abweisend, ja fast feindselig präsentieren. Wir beschließen, ein anderes Mal bei Tag wiederzukommen, vielleicht empfangen sie uns dann freundlicher.

Nach dem Abstieg bis Luzern ist der Rest der Schweiz, selbst auf der Landstraße, schnell durchquert. Ein letztes Mal tanken wir kurz vor Bad Säckingen in der günstigeren Schweiz, und schwupp – galoppieren die 280 Pferdchen des S4 auf der deutschen Autobahn heimwärts gen Norden.

Was ich noch sagen wollte…

Danke unserem wunderbaren Audi S4, der klag- und pannenlos sämtliche Höhenmeter rauf und runter rannte, die Hitze der Cote d’Azur ebenso verkraftete wie die Bergziegenpfade, der freudig eine Kurve nach der anderen jagte auf den Spuren seiner Rallyevorfahren und dessen Kraftstoffpumpe durchhielt, auch wenn sie das ein oder andere Mal lautstark gegen den täglichen Dauereinsatz protestierte.

3.000 km in 6 Tagen

Über 15.500 Höhenmeter auf 17 Pässe verteilt

  • 450 Liter Super bzw. Super Plus
  • 0,75 Liter Motoröl

Das war sie, die „Haute Coltoure“, die großartige Route des Grandes Alpes.

Ich hoffe, sie hat Euch gefallen.

Eure Jutta

Den Anfang verpasst?

Hier findet Ihr Teil 1 der Route des Grandes Alpes und Teil 2 mit der kühnsten Hochstraße der Alpen.

Ähnliche Artikel lesen

Gordon-Bennett-Cup – Rennen in die Vergangenheit

Gordon-Bennett-Cup – Rennen in die Vergangenheit

Der Gordon-Bennett-Cup wurde im Juni 1904 im Taunus ausgetragen. Genau 112 Jahre später treten Jutta und Dirk in einem 1988er Camaro gegen den damaligen Sieger an. Der benötigte für eine Runde von 137 km weniger als 1,5 Stunden. Steigt ein – wir nehmen euch mit auf ein virtuelles Rennen mit atemberaubenden Szenen, originalen Fotografien und spannenden Hintergrundinformationen. Wer wird das Rennen gewinnen?

mehr lesen
Wie man den Verkehr in Brasilien überlebt

Wie man den Verkehr in Brasilien überlebt

Samba, Sonne, Sommer! Jeder kennt diese Klischees von Brasilien. Vielleicht noch Fußball und leicht bekleidete Frauen. Doch es gibt viel mehr zu entdecken. Tolles Essen, weite Strände, dichter Urwald – und lebensgefährlicher Straßenverkehr. Dennis hat ein paar Eindrücke aus seinem Urlaub mitgebracht und verrät euch drei Tipps, wie man den Verkehr in Brasilien überlebt.

mehr lesen
Jutta Steinbrück-Weiß