„Yo, yo, yo – das ist ja mal ein echter Klassiker!“ ruft ein junger Mann, während er – in kurzen Hosen und T-Shirt – auf seinem Fahrrad um die Zapfsäule kurvt, an der mein Audi V8 steht. Ich fülle gerade 30 Liter Super Plus in den Tank. „Den sieht man ja kaum noch auf der Straße. Gute Fahrt!“ Winkend radelt er davon. Mein Ausflugsziel ist das Oldtimer-Treffen in Jesenwang, das jedes Jahr am 3. Oktober auf dem Flugplatz stattfindet. Trotz triefender Nase, dickem Kopf und erhöhter Temperatur freue ich mich auf das Treffen, bei dem sich Klassiker aller Marken und Baujahre auf dem Acker tummeln. Ich freue mich, weil es kein Treffen ist, auf dem die vermeintliche Oldtimer-Hautevolee gerne unter sich bleibt. So war es zumindest letztes Jahr. Dieses Jahr soll es anders kommen.

 

Der Audi V8 ist kein Klassiker

Was ist ein Klassiker? Ein Oldtimer – also ein 30 Jahre altes Fahrzeug? Oder ein Fahrzeug, das ein Meilenstein der Automobilgeschichte, ein Wegweiser im Design oder ein Symbol einer ganzen Generation ist – dafür aber erst gute 20 Jahre alt? Viele Oldtimer-Verbände möchten nicht, dass nun auch Fahrzeuge aus den 1980ern ein H-Kennzeichen erhalten können. Modelle wie der VW Golf II, der Audi 100 Typ44, der Fiat Uno, der Peugeot 205 und der „Baby-Benz“ Mercedes 190 E sind Anwärter für das „H“. Doch für die „echten“ Veteranen sind Autos aus den 80ern eigentlich gar keine richtigen Klassiker. Für Bernhard Kaluza vom Weltverband der Oldtimer-Clubs (FIVA) zum Beispiel sind das eher „Oldies zweiter Klasse, jedenfalls nicht im Sinne des Erfinders“. Er bezweifle, dass man jedem Fahrzeug, das die 30 Jahre erreicht hat, einen Oldtimerstatus zugestehen müsse. Mario De Rosa von der Initiative Kulturgut Mobilität fügt hinzu: „Das Hauptproblem für die Szene ist, dass Leute einsteigen, die mit kleinen Kosten große Autos fahren wollen. Damit wird das H-Kennzeichen verwässert.“ Aufgrund der Formensprache und Technikgeschichte ende sein Interesse Mitte der 1970er. Meinungen älterer Herren, die die Szene prägen. Noch. Dass ein Mercedes SL die 30 Jahre schafft, wissen wir ja nun. Aber verlangt es nicht deutlich mehr Respekt, wenn ein Opel Kadett E mit dieser unterirdischen Verarbeitungsqualität die 30 Jahre ohne erhebliche Mängel und Verbasteleien schafft? Meiner zumindest wurde nur 13, bevor er an einem schweren Rostleiden verendet ist.

Ich blubbere auf den Flugplatz zu. Feuerwehrmänner in dunkelblauen Gummihosen und schwarzen Faserpelzjacken regeln die Einfahrt. Sie teilen die ankommenden Fahrzeuge in Klassiker und Besucherautos ein. Alte Autos auf den Acker, neue auf den Besucherparkplatz. Ich lasse das Fenster herunter. Ein Feuerwehrmann, gerade 18, streckt seine Hand in den travertinen Innenraum und verlangt zwei Euro, den Eintritt für Besucherfahrzeuge. Ich starre ihn an. Der Audi V8 stand letztes Jahr auch auf dem Acker. „Nur Klassiker,“ blökt der junge Mann ins alte Auto. Nach anfänglichen Stotterlauten krächze ich ein „Aber das ist doch ein Klassiker! Das Auto ist 23 Jahre alt“ heraus. „Egal, hat kein H-Kennzeichen. Zwei Euro!“ Aus meinen ragusagrünen Augen schießen Blitze. Meine Krallen sind ausgefahren und ich bin bereit, das auszudiskutieren. Da steckt Chris dem Ackerwart zwei Euro zu. Es ist zwecklos. Der Audi V8 muss auf die Rasenfläche für Besucherfahrzeuge.

 

Driving Range für fortgeschrittene Senioren

Also nochmal: Was ist ein Klassiker? Und wer entscheidet das? In meinem Fall ein 18-jähriger Laie. Doch wenn der Audi V8 – die erste Oberklasselimousine von Audi, die erste Limousine mit permanentem Allrad und einer seidenweichen Vierstufen-Automatik, von der heute nur noch gut 500 Stück existieren (4.2) – kein Klassiker ist, was ist er dann? Auf jeden Fall zu unbekannt. Nächstes Jahr reise ich mit meinem Oldtimer-Versicherungsgutachten an, weil mein Audi V8 nicht aussieht wie ein Ford Mustang. Auf vielen Treffen zeigt sich ein weiteres Problem: Alte Autos sind Prestige-, keine Liebhaberobjekte. Ältere Herren, die die Midlife Crisis gerade so überstanden haben, definieren den Inhalt ihres Geldbeutels gerne über das alte Blech. Doch ist alt immer teurer? Ein Beispiel: Für einen Ford Mustang V8 von 1967 kosten beide Bremstrommeln vorne zusammen 130,00 EUR. Hat der Besitzer bereits auf Scheibenbremsen umgerüstet, kosten beide Scheiben 180,00 EUR. Zum Vergleich: Die Bremsscheiben für meinen Audi V8, die sogenannten UFO-Bremsen, kosten mit etwas Glück und Vitamin B 850,00 EUR. Kommt mein V8 jetzt in den Prestige-Olymp der Altblech-Götter? Auch die Herausforderungen bei Fahrzeugen aus den 1980er Jahren sind ganz andere: die Technik ist anspruchsvoller, eigene Reparaturen sind komplizierter, die Ersatzteilversorgung ist schlecht. Und trotzdem geben wir nicht auf. Schließlich sind wir hier nicht auf der Driving Range für fortgeschrittene Senioren. Uns sollte die Liebe zum alten Blech einen. Sie tut es aber nicht.

Ich finde mich damit ab, dass mein Audi V8 nur auf der Besucherfläche im Schlamm spielen darf. Gut, das macht er gerne. Und er kann es auch, im Gegensatz zu manch anderem. Auch der Acker, auf dem die „echten Klassiker“ feststecken, ist weich von tagelangem Regen. Es fühlt sich an, als stapfe man durch Knete. Die nasse Erde zerrt an meinen Stiefeln. Bei jedem Schritt befreie ich sie mit einem schmatzenden „mooopf“. Ich entdecke zwei Saab 900 Cabrios von 1993, einen Audi 200 und eine neuzeitliche E-Klasse, die sich gerade vom Acker machen will, aber nicht kann. Selbstverständlich stehen hier viele Autos ohne H-Kennzeichen. Und dann stehen da noch die immer gleichen Ford Mustangs, Dodge Chargers, Jaguar E-Types und Mercedes SLs. Die Amis in Babyblau Metallic mit roten Funny Dices hinterm Spiegel, die Briten in Racing Green mit pupsbraunem Leder. Wird das Treffen in Jesenwang eine weitere Veranstaltung, auf der die Vielfalt verloren geht? Wenn Laien in Gummihosen darüber entscheiden, eindeutig ja.

 

Unsere Generation hat die Oldtimer von morgen

Autos aus den 1980ern und frühen 1990ern sind (noch) verkannt – aber sie sind Klassiker. Wir kennen sie aus unserer Kindheit und Jugend. Wir verbinden Erinnerungen mit ihnen, wie einst Opa mit dem BMW 2002. Und wir sind die Generation, die diese Liebhaberstücke pflegt, repariert und fährt. Ein BMW E34, ein Audi V8 D1, ein Mercedes W124, ein Lexus LS400 und – ja! – auch ein Opel Senator B sind die Klassiker unserer Generation. Und wir machen sie zu Oldtimern. Noch werden diese Fahrzeuge belächelt. Aber in 15 Jahren, wenn wir mit Plastikschalen durch die Gegend surren und alle 90 km für 6 Stunden an einer Ladestation abhängen müssen, werden wir uns nach genau diesen Autos sehnen. Den Autos unserer Jugend. Deswegen rufe ich Euch auf: Rettet die Vielfalt!

Eure Katze

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