Büroarbeit erledige ich meistens mit meinem Kater. Puschkin, mein sechs Jahre alter Britisch Kurzhaar, wartet das Faxgerät, kopiert Dokumente und ordnet Unterlagen. Allerdings haben Puschkin und ich häufig unterschiedliche Vorstellungen von Ordnung. Nach den Kopier- und Sortierarbeiten übt er Schreiben mit dem 8-Krallen-System (Katzen können nicht – so wie wir – mit dem Daumen schreiben). Er beherrscht bereits einfache Buchstabenfolgen und Wörter, die offensichtlich einer sehr seltenen Katzenschrift entstammen: „cnnnsss,….cdx“ oder auch „xxyvmsic,“.

Wenn ich in kreative Arbeiten vertieft bin oder unleserliche Notizen auf ein weißes Blatt Papier kritzele, thront er in Denkerpose auf dem linken Eck meines Schreibtisches und beobachtet mich mit seinen bernsteinfarbenen, leicht schräg stehenden Augen. Er sitzt ganz ruhig da. Ich spüre, wie eine telepathische Verbindung zwischen uns entsteht, wie er mich mental zu Höchstleistungen animiert… Meistens denkt er aber nur ans Essen.

Puschkin nimmt die Büroarbeit sehr ernst

Puschkin nimmt die Büroarbeit sehr ernst

 

In seiner Freizeit spielt Puschkin gerne mit angenagten Kabelbindern, durchgebissenen Haarsieben oder seinem kleinen Audi Coupé. Nur nicht so wild. Denn Puschkin ist herzkrank. Sein Herz schlägt nicht so kräftig wie es sollte. Es wird auch nicht so lange schlagen wie das seiner Artgenossen. Und manchmal ist Puschkin melancholisch. Ihm fällt die Decke auf den Kopf. Dann kann ihn nicht einmal das Coupé begeistern. Auch nicht mit offener Motorhaube. Er braucht Abwechslung, muss etwas erleben, was ihn weder ängstigt noch anstrengt.

Das Problem: Puschkin hasst Natur. Wirklich. Vor zwei Jahren habe ich ihn einmal mitten ins Grüne gesetzt. Anstatt wenigstens einen Grashalm zu beschnuppern, klammerte er sich jammernd an mein rechtes Bein und wollte sofort nach Hause. Garten ist doof. Ich grüble. Dann also Auto. Schließlich packen genervte Eltern ihre Kleinkinder abends auch ins Auto, um sie einzuschläfern… ähm, müde zu machen.

Ich packe die Transporttasche mitsamt Puschkin auf den Beifahrersitz meines V8. Das silbern glänzende Fell passt übrigens ganz hervorragend zu der Travertin-Innenausstattung. Ich starte den Motor. Sofort wird Puschkin ganz ruhig. Das Grollen der Abgasanlage erinnert ihn vermutlich an das Schnurren seiner Mutter. Wobei das eine sehr große Mutter… nun ja. Der Motor läuft, das Schnurren der CAC-Anlage entspannt. Anschnallen, gleich geht es los. Neugierig schaut Puschkin durch das Beifahrerfenster und betrachtet die Welt. Mit Sicherheitsabstand. In einer Luxuslimousine ist man als Brite ja grundsätzlich gut aufgehoben.

In seiner Freizeit spielt Puschkin am liebsten mit seinem Audi Coupé

In seiner Freizeit spielt Puschkin gerne mit seinem Audi Coupé

 

Gemütlich fahren wir durch den Münchner Westen. Katze und Kater. Wenn wir an einer Ampel halten, setzt sich der Kater aufrecht hin und pienzt aus dem Fenster. Komische Menschen stehen neben uns. In einem dunkelblauen BMW zum Beispiel sitzt ein älterer Herr, der sich mit einem elektrischen Rasierer rasiert. Puschkin stellt die Öhrchen ganz nach vorne, so, als könne er die Barstoppeln auf das schmutzig-weiße Oberhemd fallen hören. Oder dieser junge Mann, der in einem rostroten Astra flegelt, als läge er am Strand von Malle. Eine Hand hängt lässig am Lenkrad, die andere liegt mit einer Kippe bestückt auf dem Schaltknüppel. Eine tiefe Falte bildet sich auf Puschkins Stirn.

Oder diese Frau, vielleicht Mitte 40, die an jeder Ampel aufs Neue versucht, ihren schwarzen Lidstrich etwas weiterzuziehen und dabei das Gesicht zu einer Grimasse verzieht, als wäre sie ein Meeresgründler mit akutem Sauerstoffmangel. Genervt dreht Puschkin die Öhrchen nach hinten. Er verkrümelt sich in seine Tasche und lässt sich von den sanften Vibrationen der CAC das Bäuchlein massieren. Wenn wir von unserem Ausflug zurückkehren, ist Puschkin wieder glücklich. So viele neue Eindrücke. Aufgedreht läuft er neben mir her, drückt die breite Brust stolz nach vorne und plappert unentwegt. Ich ahne, dass es um die komischen Menschen an der Ampel geht. Oder vielleicht doch nur um Brekkies.

Nach den Ausflügen ist Puschkin müde, aber glücklich.

Nach den Ausflügen ist Puschkin müde, aber glücklich.

 

Letzthin ging es mir nicht gut. Ich war traurig und lag nur herum. Puschkin kletterte aufs Sofa, schnurrte inbrünstig und leckte dicke Tränen von meinen Wangen. Ich vergrub mein Gesicht in seinem seidig-weichen Fell und drückte ihn fest an mich. So kuschelten wir einige Minuten. Als er mich genug getröstet hatte, maunzte er mich auffordernd an und stapfte zu seiner Tasche. Er hielt es für die beste Idee, ein paar Runden mit dem V8 zu drehen. Sein Rezept gegen die Traurigkeit.

 

Danke, dass es dich gibt, mein kleiner Poet.

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Katze