Pilo fährt den Audi S6 Plus, der in der TV-Sendung „Der Checker“ zu sehen war. Also, meistens „fährt“ er. Sein Road Trip nach München allerdings wird die Geduld des Emsländers auf eine harte Probe stellen.

Schichtende. Rainer kachelt nach Hause, um letzte Vorbereitungen zu treffen. Er fährt seinen Audi S6 Plus auf die Hebebühne – den Audi S6 Plus, der einst in der Fernsehsendung „Der Checker“ zu sehen war -, löst die Schellen der Abgasanlage und tauscht einen defekten Katalysator aus. Rainer, von Freunden Pilo genannt, ist ein Hühne aus Lähden, mit Glatze und schelmischem Grinsen, fast so breit wie hoch (alles Muskeln, natürlich), und knallt alles „anne Erde“, was vier Reifen hat.

Am Checker-Plus hat er schon eine Menge gebastelt, damit dieser überhaupt fährt. Er hat das Fahrwerk gegen ein noch tieferes ausgetauscht, die komplette Vorderachse überholt und das kaputtreparierte Getriebe ersetzt. Doch eine dunkle Vorahnung sagt ihm, dass es beim defekten Kat nicht bleiben wird.

Um 2.00 Uhr nachts sammelt er Stefan St. und Stefan Sk. – der Einfachheit halber Stefan 1 und Stefan 2 – ein, lümmelt sich auf den Beifahrersitz und lässt sich von Stefan 2 nach Nürnberg chauffieren. Die erste Station auf dem Bayerntrip ist Gervin Mengel, der Spezialist für Turboladertechnik. Die Männer fachsimpeln in der Werkstatt, in der sich Fahrwerksfedern, Gummilager und alte Audi quattros stapeln. Der Plus hängt zum zweiten Mal an diesem Freitag auf der Bühne. Pilo stört sich am Sturz der Hinterräder, den Gervin kurzerhand korrigiert. Was er noch nicht weiß: Der Plus wird dieses Wochenende ungewöhnlich viel Zeit in erhöhter Position verbringen.

Gervin_Mengel

Bei Gervin Mengel (links) in Nürnberg. Turboladertechnik vom Feinsten.

Nach dem entspannten Schnack in Gervins Meisterwerkstatt brechen die drei nach Ingolstadt auf, um sich das museum mobile der Audi AG anzusehen. Die Begeisterung für die Marke mit den vier Ringen weicht schnell Ernüchterung: lieblos restaurierte Exponate, verbogene Schweller und verrostete Karossen dämmern hier im Dornröschenschlaf. Audi ist offenbar selbst Opfer seiner Teilepolitik geworden. Immerhin: Vier Euro sind nicht die Welt und durch das kleine Museum ist man schnell hindurchgelaufen.

Emsländische Mägen knurren. Ein türkischer Imbiss in der Nähe lockt mit duftendem Kebap. Erschöpft betreten Rainer, Stefan 1 und Stefan 2 den kleinen Laden, donnern dem Osmanen ein freundliches „Moin“ entgegen und setzen sich an einen der freien Tische. Sie sind die einzigen Gäste. Genervt stopft der Imbissbetreiber gegrilltes Fleisch in lauwarmes Brot, ertränkt es in abgestandener Joghurtsoße und setzt die Kreation den drei Fremdlingen mit der sonderbaren Sprache zum Fraß vor. Dann lässt er sich wieder an seinem Tisch nieder und telefoniert. Dabei hält er sich das Telefon aber nicht ans Ohr. Er brüllt in das vor sich liegende Smartphone und bespuckt es abwechselnd mit Essenresten und Speichelfäden. Die lautstarke, türkische Konversation bringt selbst die drei ausgeglichenen Emsländer aus der Fassung.

Audi Quattro Hohenester

Bei Hohenester in Gaimersheim

Kulturschockiert verlassen Pilo und die beiden Stefans die Imbissbude, fallen „anne Erde, in den Checker-Plus und hobeln Richtung Gaimersheim. Ziel ist Hohenester, der Performance-Tuner für die VW- und Audi-Markengruppe. Unterwegs blinkt die Batterieleuchte auf. Die Spannungsanzeige zeigt nur noch 12V statt 14V an. Pilo weiß, dass die Lichtmaschine nicht mehr lange durchhalten wird. Bei Hohenester schrubbt der S6 über die Bordsteinkante.

Umständlich klettern die Jungs aus dem tiefen Kombi und starren mit offenen Mündern auf die dort parkenden Autos. Eines schöner als das andere. Perfekt erhaltene Coupés, die im Audi Forum eine deutlich bessere Figur machen würden als die… ach, lassen wir das. Die Mechaniker von Hohenester messen die Spannung der Lichtmaschine, tippen darauf, dass eine Diode durchgebrannt ist, und attestieren ausreichende Gesundheit für die Fahrt nach München.

Pilo strahlt über das ganze Gesicht, wirft sich in den Plus und startet den 4.2 Liter V8. Der bullige Emsland-Express rollt gerade über die A9, als die Batterieleuchte wieder aufblinkt. Eine zweite Diode ist durchgebrannt. Der Audi S6 Plus schaltet nach und nach die Verbraucher ab. ABS, Radio, Scheibenwischer, Heizung und Licht fallen aus. Einzig die Benzinpumpe und die Einzelzündspulen versorgt er mit dem letzten bisschen Strom, dass noch an Bord ist.

Pilo steuert den Checker bei der nächsten Raststätte von der Autobahn, sucht eine Parklücke und stellt den Motor ab. Versuchsweise dreht er den Zündschlüssel noch einmal um. Schwach flackerndes Licht im Kombiinstrument. Dann Stille. 326 Pferdchen im Koma.

Gervin_S6Plus

Gervin im Lichtmaschinen-Express: eine der letzten Audi S6 Plus Limousinen.

Bleibt nur der ADAC. 20 Minuten später rumpelt ein gelbes Abschleppfahrzeug auf den Rasthof. Ein junger Mann mit schwarzer Wollmütze und schmutzig-grauem Sweatshirt springt aus der Fahrerkabine, begrüßt die drei Emsländer mit Handschlag und lädt den Checker-Plus auf. Stefan (Mitgezählt? – Nummer 3) ist selbst begeisterter Tuner und schraubt privat an einem Ford Focus ST.

Fünf Minuten später kriechen drei Stefans, ein Pilo und ein malader Audi S6 Plus im Stau nach München. Vor der Pension Härtl, die einmal im Jahr von V8-Kultur-Anhängern belagert wird, lässt Stefan das Chaos-Gespann wieder laufen. Hilfsbereit rollt Härtl ein Verlängerungskabel aus, damit ein Ladegerät angeschlossen werden kann.

Am nächsten Morgen schmeißt Gervin eine Lichtmaschine, passendes Werkzeug und zwei Ersatzbatterien in den Kofferraum und brezelt nach München. Mal wieder hängt der Checker-Plus bäuchlings auf der Bühne und lässt entspannt die Räder baumeln. Vier Männer tauschen in 20 Minuten die defekte Lichtmaschine. Das macht 2,5 Minuten pro Hand. Dann packen sie hastig ihre Sachen zusammen, duschen ihre verschwitzten Körper und waschen ihre Autos. Sie sind rechtzeitig in Andechs. Ich hatte keinen Zweifel daran. Pilo kommt jedes Jahr zum Haxenessen – egal wie. Auch, wenn er seinen Hobel schieben muss.

Katze